Am Anfang der Geschichte sind sie noch Kinder, richtige Kinder. Sie toben durch den Schnee, veranstalten Schneeballschlachten und Wettrennen mit dem Schlitten. Doch auch jetzt müssen sie schon hart auf dem Hof der Eltern mitarbeiten. Aber das müssen alle ihre Freunde und wenigstens eine halbe Stunde Zeit zum Spielen findet sich immer.
Beim Abendessen werden nicht alle satt. Der Winter war lang und die eh schon knappen Vorräte sind aufgebraucht. Wer soll den letzten Schlag Suppe bekommen? Der kleine Hannes, der noch nicht richtig sprechen kann? Die hochschwangere Mutter, die mittlere Schwester, der hart arbeitende Vater oder Kilian und Jakob, die unzertrennlichen Brüder?
Den Eltern fällt die Entscheidung, die Kinder in die Fremde zu schicken, schwer. Doch zwei Esser weniger, die zudem im Herbst noch Geld und neue Kleider mitbringen, sind ein gewichtiges Argument. Jakob und Kilian werden Schwabenkinder, das heißt sie werden sich in der Fremde, weit weg von Tirol, im reicheren Schwabenland, als Knechte verdingen. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Kinder aus den Nachbarndörfern machen sie sich auf den Weg über die Alpen. Traudl, die Jüngste ist gerade mal acht Jahre alt, der älteste Bub ist vierzehn. Ohne die Sachspenden mitleidiger Menschen unterwegs hätten sie den langen Fußweg von Tirol an den Bodensee nicht überlebt.
Manfred Mai erzählt die Geschichte der Schwabenkinder in einem nahezu dokumentatorischen Tonfall. Eine Identifikation mit den Protagonisten fällt schwer. Aber wie soll man sich auch mit Jakob und Kilian identifizieren? Ihr Leben ist sehr weit von unserem gesicherten Dasein heute entfernt. Hungersnöte, Obrigkeitsdenken, Stellung der Kirche, Kleinstaaterei, Sterblichkeitsrate, fehlende Sozialversicherung – Manfred Mai sorgt dafür, dass abstraktes Geschichtswissen begreifbar wird.
Es ist gut, so viel über das Leben damals zu erfahren. Der Autor vermittelt in „Das verkaufte Glück . Der lange Weg der Schwabenkinder“ viele Details und bindet sie sehr geschickt in die Handlung ein. Der erzählerische Schwerpunkt liegt immer auf dem Leben der Kinder, doch am Rande erfährt der Leser auch einiges zur politischen Situation. Diesen Handlungsdetails kann er folgen, muss er aber nicht. So ist das Buch einmal ein klassisches erzählendes Kinderbuch aber eben auch eine Einladung, sich mit der Zeit tiefergehend auseinanderzusetzen.
Die Schwabenkinder waren Wirtschaftsflüchtlinge – mitten in Europa. Das Geld, das sie bei den schwäbsichen Bauern verdienten, half den Familien zu Hause zu überleben. Transferzahlung nennt man das heute. Wie verzweifelt eine Famile sein muss, dass sie die Kinder auf die lange, gefährliche Reise schickt, wird verständlich.
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, dieses Buch wieder verstärkt als Schullektüre einzusetzen.
Weitere Angaben zum Kinderbuch:
Das verkaufte Glück
Der lange Weg der Schwabenkinder
empfohlen ab 10 Jahren
Mehr Informationen zum Thema Schwabenkinder findet Ihr auf dieser Webseite
Rezension in der FAZ
Ravensburger Verlag
ISBN 978-3-473-52551-5
Buch und die Verfilmung sind sehr wichtig…Tatsächlich wurde das Thema im Schwäbischen, wo ich herkomme, sehr lange verschwiegen…und das Buch trug mit dazu bei, darüber aufzuklären.
Auch die Tiroler und Schweizer wollten sich lange nicht mit dieser Form von Armut auseinandersetzen. Mich würde ja die Rolle der „Schlepper“ in diesen Geschichten interessieren. In dem Buch war der Mann, der die Kinder vermittelte, natürlich ein anständiger Kerl. Hm …