Erst mit Ronja Räubertochter wurde ich zum Lindgren-Fan. Erstaunlich, dass mich diese große Autorin erst als Grundschülerin begeistern konnte, oder?
So gut wie jeder Erwachsene erzählt mir, wie toll er als Kind Pippi Langstrumpf gefunden hätte. Ich mochte sie nicht, denn sie war mir einfach zu unrealistisch. Die Figur der Annika machte das nicht besser. Die eine Figur war mir zu schräg, die andere zu farblos.
An Bullerbü störte mich diese Heile-Welt-Großfamilien-Atmosphäre. So etwas kannte ich aus meinem Umfeld nicht. Noch viel schlimmer: ich glaubte es schon als kleines Kind nicht, dass das funktioniert. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass das Buch mich anlügt, weil es die Streitereien nicht erwähnte oder runterspielte.
Lediglich Michel aus Lönneberga fand damals meine Zustimmung. Doch das hatte einen anderen Hintergrund. Mein Vater hatte mir das Bilderbuch von einer seiner Dienstreisen als Geschenk mitgebracht. Ein eigenes Buch; keines das wir wieder in die Bücherei zurückbringen mussten – das war etwas ganz Besonderes für ich. Das ich die Michel-Bilderbücher von Astrid Lindgren mochte hatte also mehr mit meiner eigenen Geschichte als mit dem Buch an sich zu tun.
Die Geschichten selbst fand ich etwas seltsam. Wenn Michel zur Strafe – ein Konzept, das ich nicht verstand – im dunklen Schuppen saß, fand ich das schaurig. Aber auch nicht schauriger als die Märchen, die ich mochte.
Was ich an diesen Bilderbüchern jedoch liebte waren die Illustrationen von Björn Berg. So schön leicht, luftig und voller Freude!
Es gibt solche Tage im Spätsommer, wenn morgens der Herbst schon in der Luft liegt, tagsüber jedoch noch einmal der Sommer mit voller Pracht begeistert – genauso wirkten die Bilder auf mich. Sie fühlen sich nach draußen sein an, nach Grashalme zwischen den Zehen haben und nach hoffen, dass die Kirchenglocke, die die Abendbrotzeit signalisierte, nie läuten würde.
Über die Zeichnungen kam bei mir also doch ein klein wenig von dem Gefühl auf, was andere so sehr mit Astrid Lindgren verbinden – Sommer und Freiheit. Genau dieses Gefühl, der Wald und das Märchenhafte an der Handlung machten mich dann als Grundschülerin zum Fan von Ronja Räubertochter.
Warum das Buch dann vermochte, was ihre anderen Bücher nicht geschafft hatten? Es ist der Ort der Handlung und die Räuberbanden. Dadurch war die Geschichte von vornherein im Unrealistischen angesiedelt und ich kam erst gar nicht auf die Idee, das Geschehen mit meinem eigenen Leben als Kind abzugleichen. Genau wie im Märchen war klar, dass es sich um eine was-wäre-wenn-Welt handelt. Perfekt für mich und die Tatsache, dass die Geschichte im Wald spielt, machte es für mich noch besser.
Genauso gehe ich auch heute noch an Geschichten heran. Mit Familiengeschichten kann man mich jagen. Sollten aber die gleichen Themen im Fantasy-Gewand daher kommen, lasse ich mich gerne auf sie ein. Je unrealistischer der Background desto besser kann ich mich auf zwischenmenschliche Dramen und Beziehungen einlassen. Zuviel Realität stört mich als Leserin ungemein.
Heute weiß ich das. Als Kind dachte ich bei den Büchern von Astrid Lindgren jedoch nur: so leben die Menschen nicht und ein Märchen ist es auch nicht. Was soll das?
Dies ist mein Beitrag zur Astrid Lindgren Blogparade, die Ramona vom Kielfeder Blog gestartet hat. Danke für die Initiative!
Jetzt bin ich natürlich sehr gespannt, ob noch mehr Leser ein leicht distanziertes Verhältnis zu Astrid Lindgren haben oder ob der Grundtenor der Blogparade eher eine schwärmerische Euphorie sein wird.
Wie war das bei Euch? Wann habt ihr Astrid Lindgren entdeckt und wie groß ist Eure Begeisterung für diese Autorin?
Hallo,
ich bin mit schwärmerischer Euphorie Teil der Blogparade. Heute als Erwachsene schätze ich besonders ihre Einstellung zur Kindererziehung, welche ich zum Einen sehr revolutionär für die damalige Zeit finde und zum Anderen einfach herzlich. Das begünstigt das Schwärmen für Astrid Lindgren. Mir ist beim Lesen deines Beitrags klar geworden, dass ich den Pippi-Büchern wohlgesonnen gegenüber war, weil mich das Foto auf der Rückseite an meine geliebte Uroma erinnert(e). Meine Tochter und ich lesen jeden Abend Pippi und ihre Stärke machts. Damals wie heute. Als Großstadtkind war ihre Welt sowieso eine völlige andere und unreal und somit konnte ich mich gut einlassen. Ich schätze meiner Tochter geht es ähnlich. Astrid Lindgrens Geschichten sind Phantasien. Es sind verpackte/überspitze Wünsche/ Ideale zum Beispiel nach starken Mädchen, die die Welt verbessern.
Sehr interessant, was du da schreibst.
Ich hatte ein Pippi-Bilderbuch, ansonsten kannte ich Astrid Lindgren lange nur aus dem Fernsehen. Michel habe ich viel mehr geliebt als Pippi, obwohl ich die Filme auch mochte. Mit Ferien auf Saltkrokan konnte ich nicht viel anfangen. Später habe ich die Bullerbü-Bücher sehr gerne gelesen, ebenso wie Michel, Pippi fiel mir erst sehr spät in die Hände. Die Madita-Serie mochte ich so, dass ich mir auch das Buch wünschte.
Alles andere habe ich erst als Erwachsene kennengelernt. Komisch, ich war doch regelmäßige Besucherin unserer kleinen Bibliothek.
Bei Michel und Bullerbü war mir klar, dass das nicht in unserer Zeit spielt und in einem anderen Land, ich hatte keine Probleme damit, mir das vorzustellen. Und für mich war Pippi fantastisch genug um zu akzeptieren, dass das nicht echt so sein konnte – aber bei manchem hätte ich es toll gefunden, wenn es so gewesen wäre. Eine Pippi als Freundin, klasse! Annika fand ich zwar ein bisschen brav und langweilig, aber Tommi hätte ich auch gerne als Freund gehabt.
Meine Kinder mochten, als sie klein waren, Lotta am liebsten, das musste ich soo oft vorlesen. Die Lotta-Geschichten sind doch recht nah an der kindlichen Lebenswelt, finde ich.
Stimmt, Lindgren gab es gefühlt nie in der Bibliothek – wahrscheinlich war sie immer ausgeliehen! Im Rückblick würde ich vermuten, dass Lotta für mich als Kind genau richtig gewesen wäre. Aber auf die bin ich damals nicht gestoßen.