Das Bilderbuch Für den Wal ’nen Schal hat mich verblüfft. Tierliebe, Reime, Situationskomik verbunden mit Ausmalbildern – kann das klappen? Bei Silke Antelmann klappt das. Und wie gut!
Lisa, die Protagonistin, kümmert sich auf eine Art und Weise um Tiere, die aus tiefsten Herzen kommt und voll überbordender Kreativität steckt. Jedes Tier wird mit Herzenswärme und einem selbst gestrickten Kleidungsstück bedacht. Der Wal bekommt einen Schal, das Huhn von Onkel Werner dreizehn Eierwärmer. Kein Tier ist zu groß, zu klein, zu gefährlich, zu unauffällig oder zu eklig – Lisa denkt an alle. Sogar für die Wanze lässt sie die Stricknadeln klappern:
… und für die Wanze in der Ritze
ein schickes Abendkleid mit Spitze.
Trotzdem ist Lisa nicht naiv. Sie denkt mit, überlegt, was den Tieren helfen könnte. Ihre gestrickten Geschenke sind keine Dekoration. Hinter dem Witz steckt häufig ein tieferer Sinn: So bekommt die Spinne in der Ecke, mit der wohl nur die wenigsten Menschen kuscheln wollen, eine rosa Kuscheldecke.
Grenzen setzen kann Lisa auch. Das zeigt sich in der Situation mit drei auf Krawall gebürsteten Jungs, die sich einen Spaß daraus machen, dass ihr Hund andere Menschen anknurrt:
Nur der böse Hund von Paul
Kriegt ne Socke über’s Maul!
Bei aller Leichtigkeit, mit der das Bilderbuch daher kommt, ist die tierliebe Lisa eine vielschichtige Person: empathisch, kreativ, anpackend. Damit Lisas Kreativität auch in unserem Leben ankommt, kann das Bilderbuch ausgemalt werden. Lesen, lachen, selbst aktiv werden – dieses kleine, heitere Büchlein wirkt lange nach!
Ja aber, ein kleines, schön gestaltetes und fest gebundenes Bilderbuch ist doch kein Ausmalbuch, oder? Und überhaupt: Wie kommt man eigentlich auf so eine Idee für ein Bilderbuch? Allerhöchste Zeit, die Autorin zu fragen!
Liebe Silke Antelmann, ich bin jetzt mal ganz pfälzisch direkt. Hätte ein Verlag mir gesagt »Wir haben da ein Bilderbuch. Es ist gereimt, handelt von Stricken und Tierliebe und ausmalen kann man es auch.« dann hätte ich mit einem herzhaften »Verzähl mer nix!« geantwortet.
Wie bitte bist Du auf diese Bilderbuch-Idee gekommen?
Liebe Dagmar Eckhardt, erst einmal vielen Dank für Deine Sicht auf Lisa und ihre Tiere. Ich denke, dass Lisa ein Mädchen ist, das auf den ersten Blick unterschätzt wird. „Stricken“ und „tierlieb“ klingt halt nicht unbedingt cool. Und dass ihr großes Herz, ihre Kreativität und ihr Eigensinn bei dir angekommen sind, macht mich richtig froh.
Nun zu deiner pfälzisch-direkten Frage nach der Buchidee: Zuerst war in meinem Kopf der Satz „Der Wal hat einen Schal“. Das ist natürlich ein vollkommen naheliegender Reim, ein Reim-Elfmeter sozusagen. Trotzdem hat mich interessiert, warum denn der Wal nun einen Schal hat. Hat er den gefunden, geklaut oder selbst gestrickt? Am nettesten wäre es doch, wenn ihm jemand einen Schal stricken würde und wer könnte das sein? Und strickt derjenige nur für Wale oder auch für andere Tiere? So kam ich zu Lisa und ihrer großen Tierliebe. Als der Text stand, war klar, dass es ein Bilderbuch sein musste. Sicherlich hätten ganz unterschiedliche Illustrationen für den Wal funktioniert, aber mir liegen die schlichten und eher lustigen Zeichnungen, die nicht unbedingt „richtig“ sind. (Ich könnte auch rheinisch direkt sagen: „Isch kann dat halt nit anders.“) Und zu den schlichten Strichzeichnungen erschien mir das selber Ausmalen dann am passendsten. Irgendwie ergab eins das andere. Im besten Fall entwickeln Geschichten ja eine Dynamik, die einem zeigt, wo’s langgeht.
Du hast für das Bilderbuch ein interessantes, sehr griffiges Format gewählt: ein kleines Querformat. Ausmalbilder sind ja meist eher hochkant. Bewusste Entscheidung?
Ja. Ich wollte unbedingt, dass die Geschichte als Querformat erscheint, weil die meisten Malbücher eben hochformatig sind. Es war mir wichtig, dass das Ausmalen nur eine Möglichkeit und keine Notwendigkeit ist. Wenn jemand keine Lust zum Malen hat, soll das Buch auch als schwarz-weiß-Geschichte funktionieren, ohne, dass das Gefühl entsteht: hier fehlt doch was. Und ein Hochformat hätte viel mehr diesen auffordernden Charakter gehabt, etwas tun zu müssen.
Kommen wir zum ultimativen »Das tut man doch nicht!« Ausruf. In ein Buch malen – wie reagieren die Kinder darauf? Und wie die Erwachsenen?
Das Interessante ist, dass ich zu Beginn auch gedacht habe, dass Kinder Hemmungen haben könnten, in ein (Hardcover-)Buch zu malen. Bei mir als Kind wäre das so gewesen und bei dir anscheinend auch, wir sind ja aus derselben Generation. So ist es aber nicht, zumindest nicht nach meiner Beobachtung. Ich habe bei keinem Kind erlebt, dass es sich irgendwie überwinden musste oder ein bisschen ehrfürchtig war, bevor es sich getraut hat. Die gehen da ganz locker und selbstbewusst ran. Einmal saß ich neben einem Jungen, der so wild in das Buch gemalt hat, dass ich mich zusammenreißen musste, um ihn nicht zu ermahnen, ordentlicher zu malen. Ich hab mir gesagt, dass das jetzt sein Buch ist und dass er so wild krickeln kann, wie er will. Aber Lisa und ihre Tiere taten mir trotzdem ein bisschen leid. Ich habe aber auch schon ganz liebevoll oder lustig ausgemalte Buchseiten gesehen, bei denen Kinder noch etwas dazu gemalt haben, was ich besonders toll finde. Erwachsene lassen das Buch meist unverändert. Wenn sie doch malen, dann eher mit ihren Kindern. Ich selbst hab auch noch kein Buch ausgemalt und mag es so, wie es ist, ganz gerne. (Auch hier könnte ich sagen: „Isch bin halt wat faul.“)
Ich finde, mit diesem Buch hast Du die Messlatte schon sehr hochgelegt. Worum geht es in Deinem nächsten Projekt?
Danke für das Lob! Das spornt mich an und macht mich auch ein bisschen nervös. Mein nächstes Buch ist auch wieder ein Bilderbuch – diesmal ein vierfarbiges. Es handelt von einer Oma, die so wild ist, dass sie an die Leine muss. Das erzählt uns zumindest ihr Enkel, der genau weiß, wie es war, als seine Oma noch frei herumlief. Ob das alles stimmt? Ich glaub schon. Schließlich heißt das Buch: „Die absolut wahre Geschichte von der Oma, die an die Leine musste“. Und an dieser Stelle höre ich dich wieder sagen: »Verzähl mer nix!«
Wer mehr über die Geschichte von der Oma, die an die Leine musste, wissen will, schaut am besten bei Silke Antelmann auf Facebook vorbei. Dort kann man ihr auch prima über die Schulter schauen und beobachten, wie ein Buch entsteht. Ihre Bücher gibt es im Buchhandel – zum Beispiel hier bei Schmitz Junior.
Weitere Infos zum Bilderbuch:
Silke Antelmann
Für den Wal ’nen Schal
Eine Ausmalgeschichte
empfohlen für Kinder von 3 bis 5 Jahren
(und für alle DIY- und Strick-Nerds)
Books on Demand
ISBN-13: 978-3-7460-3790-5