Manchmal habe ich den Eindruck, dass die eher stillen und poetischen Bilderbücher es derzeit recht schwer haben, beachtet zu werden. In einer Welt voller Edutainment und Zeichentrickfilme dringen sie nicht durch. Würden heute eine Annegert Fuchshuber oder eine Binette Schroeder mit ihren tiefgehenden Geschichten als Neuerscheinung auf dem Buchmarkt eine Chance haben? Ein anderer Bilderbuch-Stil hat die Sehgewohnheiten der Familien geprägt. Janosch brachte uns Bilder, die etwas skizzenhaftes hatten. Nordquist führte detailverliebte Situationskomik ein. Wieso? Weshalb? Warum? prägte den Stil der Wissensvermittlung. Das sind die Eckpunkte, zwischen denen sich die Illustrationen der Bilderbücher heute meist bewegen.
Auf Sommer folgt Herbst. Das ist sicher.
Gerade deswegen fasziniert mich das Bilderbuch „Wenn die Jahreszeiten träumen“ – es verbindet Illustrationswelten. In farbintensiven Bildern erzählt es eine poetische Geschichte, die direkt neben den Werken der großen Bilderbuchkünstlerinnen bestehen kann. Es hat Schwung und Dynamik wie ein Zeichentrickfilm, weil es zwischen Nahaufnahme und Breitbild-Effekten wechselt. In detaillierten Bildern werden wenige, aber entscheidende Wissensdetails vermittelt. Der Erzählrhythmus greift den Kreislauf der Jahreszeiten direkt auf: Ist man am Ende der Geschichte im Winteranfang angekommen, schaut schon wieder der Anfang in Form des Frühlings um die Ecke.
Denn das ist die Botschaft des Buches: Das Karussell des Lebens dreht sich immer weiter und in allem ist sowohl das Ende des vorherigen als auch der Anfang des nächsten enthalten. Der Sommer kann kommen, weil der Frühling geht. Und während der Sommer Regie führt, macht sich der Herbst schon bereit. All das wird mit viel Empathie und einem sicheren Gefühl für Stimmungen erzählt. Wunderschön!
Angaben zum Buch:
Haddy Njie
Lisa Aisato
Wenn die Jahreszeiten träumen
Übersetzt aus dem Norwegischen von Neele Bösche
Bilderbuch empfohlen ab 3 Jahren
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