Gratsch, Gätsch, Hatzel, Hayer, Markwart, Morolt, Raker, Ruch – all das sind Namen für den Eichelhäher. Wer weiß denn so was? Na, der Hehmann! Damit sind wir schon mittendrin in Wieland Freunds besonderer Art, Lesern den Wald mit seiner Lebendigkeit und seiner Vielfalt näher zu bringen.
Geht es dem Hehmann gut, dann ist er so groß wie ein kleiner Junge, der gerade über umgefallene Baumstämme klettern kann. Wird er wütend, zum Beispiel weil Holzfäller in der Nähe sind, ist er größer als die ältesten Baumriesen. An den Tagen, an denen er befürchtet, den Wald nicht beschützen zu können, ist er winzig wie ein Käfer im Moos.
Der Hehmann ist ein Wächter des Waldes, ein guter Geist, ein Genus locii. Das Mädchen Nemi kann seine „Heh!“ Rufe hören und macht sich auf die Suche nach ihm.
Biologie, Abenteuer und Magie: es gibt viele Arten, den Wald zu erleben!
Auf gut 100 Seiten erzählt Wieland Freund, unterstützt von den naturnahen und poetischen Bildern von Hanna Jung, wie Nemi den Hehmann und den Wald kennen lernt. Dieser Wald ist weder ein Naturschutzgebiet noch eine weitläufige Wandergegend. Es ist einfach ein Stück Wald vor der Haustür, gelegen zwischen Wohngebiet und Schnellstraße. Die meisten Menschen fahren lieber zwei Stationen mit dem Bus um das Waldgebiet herum. Nur Nemi, die lief schon immer gerne mittendurch.
Unter Hehmanns Anleitung lernt sie zu sehen, was ist – und was sein könnte, wenn der Wald noch so wäre, wie in alten Zeiten. Wie eine echte Naturforscherin beginnt Nemi zu zeichnen. Schmetterlinge, die sie gesehen hat, und solche, die eigentlich auch im Wald leben könnten, aber nicht mehr dort sind. Sie lernt, den Wald als großes Ganzes zu begreifen und dabei jedes Detail wahrzunehmen. Denn so, wie der Eichelhäher viele Namen hat, besteht der Wald aus vielen Einzelheiten, die sich immer wieder neu zusammen setzen.
Ganz am Schluss wird auch das Rätsel gelöst, welche Sagengestalt sich hinter dem Hehmann verbirgt. Damit wird die Geschichte komplett und streckt ihre Wurzeln bis in alte Zeiten aus, als nicht nur Menschen wie Nemi den Wald als belebt und beseelt erlebten.
Trotz dieser Fülle und trotz des großen Erzählbogens ist „Nemi und der Hehmann“ vor allem eines: ein packend erzähltes Kinderbuch für Leser:innen ab 8 Jahren, das den Bogen vom persönlichen Erleben zur Naturwissenschaft und gleichzeitig zur Magie schlägt. Gelungen!
Infos zum Kinderbuch:
Wieland Freund
Nemi und der Hehmann
Kinderroman
Mit Illustrationen von Hanna Jung
empfohlen ab 8 Jahren
oder zum vorlesen ab 5 Jahren
Beltz und Gelberg
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