»Ich wurde in einer Leichenhalle geboren« ist jetzt nicht unbedingt ein Statement, das man als ersten Satz in einem Kinderkrimi für 11-Jährige erwarten wurde. Aber Violet ist die Tochter eines Bestatters. Für sie ist es normal, mit ihrem Windhund Bones zwischen den Gräbern zu spielen. Aus diesem Setting heraus entwickelt Sophie Cleverly einen Krimi mit wohldosierten, nie übertriebenen Schauereffekten. Hier muss kein Erwachsener Angst haben, was die Kinder da nun wieder lesen wollen!
Nebenbei wird in dem Buch auch ein wenig Wissen über das Alltagsleben im 19. Jahrhundert vermittelt. Ab und an darf Violet, obwohl sie ein Mädchen ist, ihrem Vater bei der Arbeit helfen. Im viktorianischen England war das damals sicher keine Selbstverständlichkeit. Die Mutter hingegen verlässt die häusliche Sphäre kaum. Oliver, mit dem gemeinsam Violet die Ermittlung in einem äußerst mysteriösen Fall aufnimmt, ist ein armer Junge, der nie Lesen und Schreiben gelernt hat. Auch das beeinflusst den Lauf der Dinge. Das Schicksal von Dienstmädchen spielt für die Handlung genauso eine Rolle wie Besonderheiten des damaligen Rechtssystems, das sogar nichts mit unserem heutigen Rechtsstaat gemein hat.
Nicht immer wirken die vier Elemente Krimi, Schauerroman, Emanzipations- und Alltagsgeschichte so ganz ausgewogen. Mal ist Violet einfach ein aufbrausender Sturkopf, mal analysiert sie das Rollenverständnis recht lebensklug. Auf einmal prescht die Krimi-Handlung voran, dann geht es seitenlang um das Familienleben. Plötzlich kommt heraus, dass Violet mit Geistern kommunizieren kann, danach liegt dieser Handlungsstrang wieder brach.
Und doch entwickelt das Buch durchaus einen Sog! Gerade die Mischung aus Alltag und Geschichte, Krimi und Grusel sorgt für abwechslungsreiche Lesestunden.
Angaben zum Kinderkrimi:
Sophie Cleverly
Übersetzt von Birgit Erdmann
Violet und Bones
Band 1
Der lebende Tote von Seven Gates
Band 2 der Krimi-Serie Violet und Bones erscheint im Oktober 2022:
Die unheilvollen Wahrsagungen der Lady Athena