Man könnte die Geschichte des letzten Zeppelins als Geschichte technischer Superlative erzählen. Oder auch als Geschichte über die Faszination, die von Technik ausgeht und über menschlichen Erfindergeist.
Stephan Martin Meyer geht in dem Kinderbuch Mit dem Zeppelin nach New York einen anderen Weg. Er erzählt die Lebensgeschichte des Kabinenjungen Werner Franz und öffnet so ein Schaufenster in die Zeit der Zeppeline.
Werner Franz ist 14 Jahre alt und braucht dringend einen Job, um seine Familie zu unterstützen. Er träumt von New York, das er aus dem Kino kennt, und von Amerika, dem Land, in dem alle Millionäre werden können. Die Wirtschaftskrise prägt die Stimmung.
Doch New York war für einen Jungen wie Werner Franz nicht erreichbar. Dass sein Tag nun aus harter Arbeit bestehen soll, betrachtet er als Glücksfall. Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die Stephan Martin Meyer erzählt und er erzählt sie so, dass die damalige Zeit besser verstanden werden kann.
All die Aspekte, die ich eingangs erwähnt habe, sind jedoch ebenfalls in dem Buch enthalten. Dadurch, dass wir gemeinsam mit dem Kabinenjungen zum ersten Mal einen Zeppelin von innen sehen, wird die Faszination der Technik erfahrbar. Gemeinsam staunen Leser und Protagonist über die Größe und über die ausgeklügelten technischen Details. Gemeinsam erleben wir, wie es sich anfühlt, zum ersten Mal den Boden unter den Füßen zu verlieren und mit dem Zeppelin in der Luft zu schweben. Die Art, wie Thorwald Spangenberg die Karten und technischen Details zeichnet, vermittelt ein Gefühl von „Damals“ und erläutert gleichzeitig sehr klar und verständlich, wie ein Zeppelin funktioniert.
Reisen war ein Luxus und eine Anstrengung, die Zeit erforderte. Daher flogen mit den Zeppelinen nur wenige wohlhabende Passagiere mit. Damit sich das Unternehmen lohnt, transportierten die Zeppeline auch Post, die sie über den Flughäfen abwarfen um gleich wieder mit neuer Post, die sie mit einer Art Angelhaken an Bord beförderten, weiterzufliegen.
Am Ende des Buches war ich dankbar für die Illustrationen von Thorwald Spangenberg, auf denen die Menschen manchmal etwas distanziert wirken. Hätte ich mich durch klarer dargestellte Menschen stärker mit der Besatzung des Zeppelins identifiziert, wäre der Absturz der Hindenburg und das Feuer, vor dem der Kabinenjunge Werner Franz flieht, ein noch größerer Schock gewesen.
Angaben zum Buch:
Stephan Martin Meyer
Thorwald Spangenberg – Illustrationen
Mit dem Zeppelin nach New York
Die Geschichte vom Kabinenjungen Werner Franz
Gerstenberg Verlag
ISBN 978-3-8369-5884-4
Anmerkung am Rande
Das Kindersachbuch hat mich auch deswegen interessiert, weil quasi vor meiner Haustür ein altes Industriegelände liegt, auf dem Zeppeline gebaut wurden: Luftschiffwerft Schütte-Lanz in Brühl. Der verlinkte Artikel erwähnt auch, was die Zeppeline mit dem Mannheimer Spruch „Ketsch – Brühl – Antwerpen“ zu tun haben. Es gab auf der Bahnlinie Ketsch – Brühl – Mannheim eine Halte Stelle namens An den Werften. Ich dachte bis jetzt, dass es sich um eine Schiffswerft am Hafen gehandelt haben muss, aber es war wohl die Werft, in der die Zeppeline gebaut wurden.