Marie – Subber Gschichtla zum Lacha und Nachdenka

Kinderbuch auf Schwäbisch

Dialekte mag ich sehr, denn sie bringen Farbe und Emotion in unsere Sprache. Leider spreche ich selbst keinen Dialekt richtig. Ich kann zwar ein leidliches Pfälzisch und kenne viele Mundart-Ausdrücke und Redewendungen, aber Grammatik und Sprachmelodie sind bei mir immer näher am Hochdeutschen als am Pfälzischen.

Dialekt lesen kann ich schon gar nicht. Ich muss laut lesen, damit ich es verstehe. Bei meinem Heimatdialekt klappt das mittlerweile ganz gut. An dem schwäbischen Kinderbuch »Marie und ihre Abenteuer – Subber Gschichtla zum Lacha und Nachdenka« bin ich jedoch gescheitert. Das fand ich schade, denn Marie scheint mir eine durch und durch sympathische Kinderbuchheldin zu sein, über die ich gerne mehr erfahren hätte. Denn Heldinnen wie sie suche ich: selbstständig, neugierig, voller Lebensfreude – einerseits völlig normal, andererseits ein richtig eigenständiger Charakter mit Ecken und Kanten.

Sowohl Marie als auch die Tatsache, dass es kaum Kinderbücher in Mundart gibt, haben mich neugierig gemacht: Guter Grund für ein Interview mit der Autorin Marion Kinzig!

Liebe Marion, wie stimmig findest Du meinen Eindruck, denn ich schon nach wenigen Seiten von Marie hatte?

Marion Kinzig – mit Marie!

Ja, liebe Dagmar, dein Eindruck trifft es sehr gut. Die Marie hat ihren eigenen Kopf und liebt es, sich auszuprobieren. Und sie hat einen guten Blick für das Zwischenmenschliche. Tatsächlich ist die Figur aus der Realität heraus entstanden. Sie ist an Erlebnisse aus meiner eigenen Kindheit angelehnt. Und an das, was ich von heutigen Kindern mitbekommen habe.
Zum Schreiben saß ich gerne draußen auf einem Bänkchen vor unserem Haus oder beim nahegelegenen Spielplatz. Zwangsläufig hörte ich die Gespräche der dort spielenden Kinder mit. Die waren meist so mit sich selbst beschäftig, dass sie mich gar nicht mehr wahrnahmen. Und da durfte ich so viel Lustiges und auch Tiefsinniges mithören. Dabei waren die Kids meist erst 7, 8 Jahre alt – wie die Marie.

Mir war wichtig darüber zu schreiben, dass Kinder sehr viel mitbekommen und darüber auch nachdenken. Und ich hatte einfach Lust, eine aufgeweckte Figur zu kreieren: ein Mädchen mit Mut und Witz und hellem Köpfle.

Wie kamst Du eigentlich auf die Idee, ein Kinderbuch in schwäbischer Mundart zu schreiben?

Auf Schwäbisch würde man sagen „des isch so noworda“. Ich war gerade im zweiten Kapitel meines Romanprojektes, ganz klassisch auf Hochdeutsch. Auf einem Seminar hatte ich ein nettes Gespräch mit einer Dame, die mir begeistert anbot, mein Buch zu illustrieren, nachdem ich beiläufig erwähnt hatte, dass ich an einem Roman arbeite. Das fand ich sehr charmant. Nur, zu meinen Roman passen keine Illustrationen. Aber nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen hatte, war wie ein Blitz die Idee des Kinderbuches mit Episoden und einem aufgeweckten Mädchen in meinem Kopf und vor allem in meinem Herzen. Und diese Idee schob sich fröhlich vor die Vollendung des Romans.

Als ich die erste Geschichte des Kinderbuches in Hochdeutsch niederschrieb, merkte ich: Hoppla, das passt nicht zu meiner Figur, das fühlt sich verkehrt an. Ich will es so sagen: Es ging nur auf Schwäbisch. Nur auf Schwäbisch war es möglich, den Witz und die Echtheit rüberzubringen, die mir wichtig war. Mir ist beim Schreiben außerdem klar geworden, dass Dialekte in gewisser Weise eigene Sprachen sind, mit eigenen Bildern und Möglichkeiten des Ausdrucks. Ich habe es genossen, in meinem „Mutterdialekt“, d.h. in der Sprache meiner Kindheit zu schreiben. Ich habe beim Schreiben ganz viel gelacht.

Leider gibt es tatsächlich wenige Kinderbücher in Mundart. Darüber, dass Mundart vielleicht nicht gerade verkaufsfördernd ist, hab ich keine Minute nachgedacht. Wer weiß, vielleicht starte ich einen Trend. Apropos: Ich bin gerade dabei, die „Marie“ als Hörbuch aufzunehmen. Wenn ich es vorlese, ist es mit und ohne Dialekthintergrund gut zu verstehen. Ich habe kürzlich vor einer Schulklasse mit Kindern aus Deutschland, Syrien, Türkei, Griechenland und Albanien in Schwäbisch vorgelesen. Die waren sehr angetan. Das Hörbuch wird voraussichtlich im Mai bei XinXii erscheinen.

Ich stelle mir es richtig schwierig vor, ein Dialekt-Buch zu lektorieren oder Korrektur zu lesen. Wie hast Du das gelöst?

Das ist tatsächlich erst einmal eine Herausforderung. Denn es gibt weder ein offizielles Wörterbuch noch eine offizielle Grammatik. Das Lektorat und das Korrektorat hat meine Frau gemacht. Sie ist, egal ob ich in Dialekt oder in Hochdeutsch schreibe, meine schärfste Kritikerin und sehr genau. Und sie ist Österreicherin und kann sich daher gut in einen Dialekt einfühlen. Mal abgesehen davon, dass sie ein Händchen fürs Lektorieren hat. Ich würde sie in der Zwischenzeit als Ehrenschwäbin bezeichnen. Sie hat mir auch ein schwäbisches Wörterbuch erstellt und die Schreibweise der Wörter standardisiert. Das heißt, es gibt immer nur eine Schreibweise für ein Wort. Also immer Schduagart und nicht mal Schduagard, mal Schtuttgart etc. Wir haben uns auch gemeinsam entschieden, das schriftliche Schwäbisch etwas zu vereinfachen, d.h. keine Lautsprache zu verwenden und allzu schwierige Wörter dem Hochdeutschen anzunähern. Zudem gibt es ein Glossar am Schluss des Buches.

Und ich möchte gerne auf deine Eingangsbemerkung zum Laut-Lesen zurückkommen. Das ist genau der richtige Weg. So geht es am Besten. Auch ich finde mich in ein schwäbisches Buch oder Gedicht durch Laut-Lesen ein. Und nach einer oder zwei Geschichten bin ich drin, im Mundart-Flow.

Hast Du einen schwäbischen Lieblingsausdruck?

Haha, ich habe sogar zwei: Muckabatscher und Boddschamber. Ersteres ist die Fliegenklatsche, letzteres der Nachtopf – eine schwäbische Abwandlung des französischen Pot de chambre.

Welches Kinderbuch verschenkst Du gerne? Und gibt es eines, von dem Du Dir eine schwäbische Fassung wünschst?

Die gute alte Pippi Langstrumpf. Das Buch hat zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, aber Pippis Sprüche sind so herrlich. Einfach die Wucht! Sie passt prima zu meiner Marie.

Und eine schwäbische Fassung von „Mama Muh“ wäre doch subber, oder?

In der Tat! Da würde ich mich doch glatt noch einmal am Schwäbsichen versuchen!

Angaben zum schwäbischen Kinderbuch:

Marion Kinzig

Marie und ihre Abenteuer
Subber Gschichtla zum Lacha und Nachdenka

Tredition

Eine Leseprobe findet Ihr hier

Dialekt lesen ist zu anstrengend? Hören aber nicht! Hier geht es zum Hörbüchle

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