Wenn Kinder einen Globus sehen, stoßen sie ihn an und freuen sich, wenn er sich dreht und dreht und dreht. Genau so funktioniert das Bilderbuch „Antonia war schon mal da“. Einmal angestoßen läuft die Geschichte um die Reise der vier Freunde – sie läuft und läuft und läuft bis sie mit dem letzten Bild zur Ruhe kommt.
Antonia, die fünfte Freundin, mag nicht mit auf die Weltreise kommen, sie bleibt lieber im Garten. Kennt man ja – sagte nicht die Nachbarin von gegenüber vor dem letzten Familienurlaub, dass sie auch schon dort gewesen sei? Doch Antonia war wirklich schon mal da und die Freunde werden auf ihrer großen Reise immer wieder Beweise dafür entdecken – ein Suchspiel im Buch.
Dieses Bilderbuch hat einen ganz eigenen Rhythmus, vergleichbar mit dem Vorbeirollen der Landschaft, wenn man aus einem Zugfenster schaut. Dabei spielt der Moment des Umblätterns eine entscheidende Rolle, der sowohl bei den Bildern als auch bei den Texten konsequent als Stilmittel verwendet wird.
Wie das bei den Sätzen gelingt, ist mir klar: das Reimwort, mit dem der Satz endet, steht erst auf der nächsten Seite:
Im Frühlingswald hängt Blatt an Blatt.
Häuser sieht man in der …
(umblättern)
STADT!
Aber wie bitte gelingt das bei den Bildern? Einmal dadurch, dass die Bildgeschichte konsequent von links nach rechts gelesen wird und die weltreisenden Freunde auch immer genau so das Bild durchqueren. Dann auch dadurch, dass am rechten Bildrand meist gerade eine Figur aus dem Bild läuft. Und dann sicherlich auch noch durch viele kleine Illustratorentricks, die ich einfach nicht verstehe. Klasse!
Bilderbuch, Bildgeschichte, Kindercomic, Wimmelbuch?
Aber ist „Antonia war schon mal da“ nun ein Bilderbuch, eine Bildgeschichte, ein Kindercomic oder ein Wimmelbuch? Es ist immer das, was die Geschichte gerade braucht. Sehr souverän ignorieren die Autoren die Frage nach den Genres und sorgen einfach dafür, dass die Weltreise der Freunde voran geht.
Genau wie bei einer Urlaubsreise gibt es viel zu entdecken: Tiere, Landschaften, Naturdetails und witzige Situationen. Die Freunde scheinen erfahrene Reisende zu sein, denn sie haben alles notwendige dabei: Kompass, Stirnlampe, Notizbuch und ein Wörterbuch in Langenscheidt-Farben.
Wie bei jeder Reise wird man aber nicht gleich alles mitbekommen. Also blättert man wieder von vorne los, rutscht wieder in den Rhythmus der Geschichte hinein, beginnt noch einmal von vorne, entdeckt immer noch was Neues … Damit ist „Antonia war schon mal da“ das erste Bilderbuch seit langem, das ich gleich dreimal hintereinander gelesen habe und auch beim dritten Mal noch fröhlich vor mich hingegluckst habe.
Gereimt ist „Antonia war schon mal da“ auch noch. Die Reime sind auch noch richtig gut und abwechslungsreich und laden durch den Umblätter-Trick zum mitraten und weiterreimen ein.
Als wollten die Autoren beweisen, dass sie das Lehrbuch „Wie mache ich ein richtig gutes Bilderbuch“ auswendig gelernt hätten, bauen sie auch noch mit einer unglaublichen Lässigkeit und Leichtigkeit das Thema Inklusion ein. Der kleine Igel im Rollstuhl ist einfach immer dabei. Da muss man nicht mehr viel erklären, damit ist alles gesagt, was es über Inklusion zu wissen gilt.
Kurz: Antonia war schon mal da hat einfach alles, was aus einer Bildergeschichte ein richtig gutes Bilderbuch mit – eines, dass die ganze Familie erfreut.
Infos zum Bilderbuch:
Max Fiedler
Patrick Wirbeleit
Kindercomic
ISBN 978-3-95640-108-4
Rezensionen bei Papillionis liest, die das Buch auch als Grundschul-Lehrerin empfiehlt, und hier bei Kinderbuch lesen. Empfohlen von der Stiftung Lesen.
Update April 2017:
Königliche Ehren: wir zeichnen Antonia war schon mal da mit dem 7. Buchkönig aus. Alle Infos zum Kinderbuchpreis.
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In der Tat: Ein tolles Buch!
Das freut mich, dass das Buch auch bei Dir gut ankam!
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