
Was für ein Gegensatz: Nach dem stillen, schon fast poetischen Kinderroman „Gertrude grenzenlos“ habe ich „Pullerpause im Tal der Ahnungslosen“ gelesen. Bei beiden Kinderbüchern geht es um den Alltag in DDR – aber dann hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
„Pullerpause im Tal der Ahnungslosen“ ist ein überbordender, fast schon überdrehter, actionreicher Spaß. Jobst und seine Mutter sind Zeitreisende. Auf dem Rückweg vom Mittelalter in ihre Zeit machen sie notgedrungen eine kurze Pinkelpause im Jahr 1987 – und stranden in der DDR. Damit sie es wieder nach Hause schaffen können, ist es zwingend nötig, dass Erich Honecker die Aufführung eines Provinztheaters besucht, damit sie ihm währenddessen den Koffer entwenden können … fragt nicht, lest es einfach selbst!
Gerade weil die Handlung so rasant erzählt wird, schafft es Franziska Gehm, extrem viel DDR-Alltag unterzubringen. Schaufenster fast ohne Ware, dafür mit großen Bildern des Staatsratsvorsitzenden. Baufällige Häuser, holprige Straßen. Rasante Verfolgungsjagden im Trabi. Softeis und Brause. Pioniernachmittage und das Pionier-Halstuch, dem auf gar keinem Fall etwas passieren darf. Datschen-Idylle und ausufernde Grillfeste. Und vor allem ganz viel sächsischer Wortwitz, Zusammenhalt und eine unglaublich kreative Art der Problemlösung – ich habe meine DDR-Verwandtschaft wiedererkannt!
Damit sich auch Leser ohne „DDR-Vorkenntnisse“ zurechtfinden, enthält das Buch ein Glossar mit alltäglichen Begriffen wie Bruderland und Ferienspiele, Persönlichkeiten wie Juri Gagarin und Adi, und politischen Begriffen wie antifaschistischer Widerstand und Parteisekretär.
Und natürlich kommt eine Zeitreisengeschichte nicht ohne genre-typischen Rätsel aus – wer ist dieser Junge, der Jobst beschattet und ihn offensichtlich mit jemanden verwechselt? Findet es heraus und freut euch, auf ein superwitziges, pralles Buch!
Infos zum Kinderbuch:
Franziska Gehm
Horst Klein – Illustrationen
Pullerpause im Tal der Ahnungslosen
Klett Kinderbuch
Kinderbücher über die DDR – weitere Buch-Tipps:
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