Pappbilderbücher haben es in sich

Buchcover Rund ums Pappbilderbuch. In seiner Abschlussarbeit an der Münchner Akademie der Künste analysiert der bedeutende deutsche Autor von Pappbilderbüchern Helmut Spanner, Form, Farbe, Aufbau, didaktische und pädagogische Qualität verschiedener bekannter Pappbilderbücher. Die Arbeit, die erstmalig bei Burckhardthaus erscheint, ist nicht nur eine spannende Analyse eines viel zu wenig beachteten Mediums, sie stellt auch den Schlüssel zu Helmut Spanners eigenem Werk dar.

Gibt man einem Baby ein Pappbilderbuch in die Hand, wird es sich damit beschäftigen – so, wie mit jedem anderen Gegenstand auch.

Es wird das Buch drehen und wenden, die Seiten bewegen und blättern und die Ecken in den Mund nehmen. Wenn dann noch der Erwachsene auf das Geschehen reagiert, sich offensichtlich freut und mit dem Kind spricht, dann wird auch das Baby sich freuen, strahlen und vor sich hinglucksen.

Worauf der Erwachsene sich denkt: Das ist ein gutes Buch. Ich habe bei der Buchauswahl alles richtig gemacht. Dieses Pappbilderbuch kann ich empfehlen, denn das Kind hat offensichtlich Spaß damit. Vor lauter Freude über ein glückliches, sich beschäftigendes Baby ignoriert er eines: Auch ein Schlüsselbund hätte die gleiche Reaktion ausgelöst.

Was macht ein gutes Pappbilderbuch aus?

Gegenstände mit Händen und Mund gründlich untersuchen ist erst einmal normales Kleinkindverhalten. Ein Pappbilderbuch ist dabei besonders reizvoll. Man kann es drehen und wenden, blättern und werfen. Die Ecken sind schön abgerundet und lassen sich gut in den Mund nehmen. Das dicke Papier ist stabil und hält einiges aus. Umblättern ist schon fast eine Sensation, denn das Kind lernt dabei, mit seinen Händen Dinge zu verändern.

Bis hierhin spielen die Illustrationen noch gar keine Rolle. Allzu viel erkennt das Baby sowieso nicht. Es sieht Farben und Formen, aber noch keine Bedeutungen. Mit den Bildern lernt es als erstes, sich eine Illustration zu sortieren und auf etwas auf dem Bild zu fokussieren. Deswegen sollten Pappbilderbücher so aussehen, wie bei Helmut Spanner oder Dick Bruna: Kräftige Farben und Kontraste, klare Konturen und am besten nur ein Gegenstand pro Seite.

Irgendwann kommt das Erkennen. Der zweidimensionale Kreis auf der Buchseite hat Ähnlichkeit mit dem Ball. Das Erkennen kann nur kommen, wenn Gegenstände abgebildet sind, die das Kind vorher mit Händen und Mund erfahren hat und die es mag.

Erst jetzt wird das Buch zum Buch; aus dem Kind wird ein Leser.

Pappbilderbücher haben es in sich. Sie sind nicht nur ein schönes Spielzeug. Sie sind der Einstieg in die Buch- und Bildwelt.

Helmut Spanner – Rund ums Pappbilderbuch

Faszinierend, oder? Dabei ist meine Zusammenfassung stark vereinfacht. Wesentlich genauer beschreibt Helmut Spanner diesen Prozess in seinem Büchlein »Rund ums Pappbilderbuch«, das erfreulicherweise bei Burckhardthaus wieder veröffentlicht wurde.

Nach dieser Lektüre ist klar, was ein gutes Pappbilderbuch ausmacht: es hilft dem Kind, sich die Welt der Dinge und die Welt der Bücher zu erschließen, in dem es Gegenstände und später auch Situationen so zeigt, wie es das Kind kennt und wiedererkennen kann.

Infos zum Buch:

Helmut Spanner
Rund ums Pappbilderbuch

Burckhardthaus

Mehr zu Pappbilderbüchern auf meinem Blog:

2 Kommentare

  1. Hier mache ich bei K4 die Beobachtung, daß es die Bücher der großen Geschwisterkinder anziehender findet, als die für seinen Stand geeigneteren. Warum? Weil die Geschwister eben mehr ziehen – wie bei allen anderen Dingen. Ich glaube, wir brauchen noch die Komponente Peers.

    • Ja klar – schon allein weil das, was andere in der Hand halten, eh immer interessanter ist. Aus dem gleichen Grund ist ja auch Mamas echter Schlüsselbund spannender als der mit den Plastikschlüsseln, der als Babyspielzeug verkauft wird.

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